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Konjugation der sinkenden Zungenspitze mit
perseverierenden Umlauten
Ein Gastbeitrag von Berthold Janecek
Das Paradigma hat etwas sehr Eingeschronkenes, Reliktäres. Es bezieht
sich auf eine Handvoll Verben mit langem ü.
Bescheiden könnte man es also als Sonder-Paradigma von Verben mit langem
ü bezeichnen.
Dicker aufgetragen würde ich von der Konjugation der sinkenden
Zungenspitze mit perseverierenden Umlauten sprechen.
a) Bezüglich diphthongierender Formen erinnert es/sie ein wenig an die
diphthongierende Konjugation der Verben mit kurzem ü, mit denen es auch
das Präsens viceversum teilt.
b) Im Vokalismus wird jedoch einer der scheinbaren
Selbstverständlichkeiten - quasi tiefengrammatikalischen Strukturen -
starker Verben des Deutschen hohngelochen: starke Verben hätten im
Indikativ Präteritum und im Partizip II niemals Umlaute zu haben. Das
Paradigma vereint Zwie- mit Umlauten.
c) Solch grobe Verletzung der chomskyösen, tiefengrammatikalischen
Erwartung kann jedoch nur unter ganz strengen Bedingungen erfolgen. Und
zwar müssen beide benachbarten Konsonaten des langen ü, also x und y
(Schema: x - ü - y), der „vorderen Gruppe“ angehören: also
Labiale, Labiodentale, Dentale, Postdentale, Alveolare, Koronale, Laterale
(dabei Plosive, Frikative wie Sona-Dingsbumse) und was es da noch für
Bezeichnungen geben mag - „Grapheme“ (mit Affrikaten): b, p, sp,
m, f, v, w, d, t, (z, ts), n, s, sch und l.
NICHT kann das Paradigma eintreten, wenn auch nur einer der beiden
benachbarten Konsonanten der „hinteren Konsonatengruppe“ angehört,
also ein Guttural (auch, beim y, „ng“, sofern es solch ein „ü(h)-Verb“ gibt) oder auch ein r ist (wegen des möglichen
Zäpfchen-rs, das ich gar Deutschen natürlich zubilligen muß).
Auch bei der Sonderform 0 - ü - y (z.B. bei „üben“) gibt es
diese Konjugation nicht, weil der
glottale Knackser vor dem ü natürlich der hinteren Konsonantengruppe
angehört, zu der auch ein anlautendes h (z.B. bei „hüten“,
Schema h - ü - y) zählt.
Ausgenommen sind weiters Verben, die hinter dem ü keinen Konsonanten aufweisen (z.B. blühen, verbrühen, Schema x - ü -0).
Kleine Ergänzung: NICHT also, z.B., bei trüben, prüfen, bügeln,
prügeln, rühmen, hüten...
Das Paradigma wird sozusagen durch die Physiologie der menschlichen
Zunge erzwungen (- welchselbiges Geschehen ich lieber heranziehe, als in
stockfleckigen Bibliotheks-Grammatiken historischer Sprachstufen [Lexer,
Schützeichel, v. Murggenthal & Co] zu stöhlen & wübern). Durch
die benachbarten vorderen Konsonaten wird die Zunge, bewegungsökonomisch,
zur Bildung von Vokalen der vorderen Reihe gedrängt (finitimaler,
vicinaler, propinqualer oder accolierender Zwang; „vis vicina“, „necessitas finitima“...), - und von „o“, „u“ oder „a“
abgehalten. (Das „e“ darf ja - wieder so ein Verbot -, außer
bei einigen Onomatopoetika, die in dieser Form durchzudrücken mir
unlängst gelang, im Präteritum nicht stehen, was der Rundung zum „ö“ förderlich sein kekönne.) So kann es bei wühlen, spülen
oder führen nicht zu den konventionelleren („Fini-Tant’“-)Formen „wohl“, „spuhl“ oder „fahr“, nicht einmal zu „wiahl“... kommen. (Natürlich - siehe soeben - auch nicht zu „wehl“)
Die Teilentrundung des Vokals führt freilich auch im vorliegenden Fall
zu Diphthongen (deren unsere Sprache ja reicher werden sesölle), freilich
eben nicht zu (Wdh.:) „ia“, - „io“, oder „iu“
(„i·e“). Nein, der Charakter des Umlautes (beim „ö“
auch die Lippenrundung) bleibt im zweiten Diphthongteil erhalten (das ist
das Ungewöhnliche), nur daß die Zungenspitze beim Ablaut, der vorderen
Linie des Vokaltrapezes entsprechend, absinkt. Der Konjunktiv II wird
vokalisch vom P.P.P. übertragen. Das „Absinken“/Verhallen/weniger-angespannt-Werden
des Vokales in Vergangenheit und Möglichkeit erinnert auch entfornen an
die onomatopoetischen Konjugationen.
Das Resultat der langen Rede/Schreibe liest sich dann sehr einfach:
Infinitiv |
Indikativ
Präsens |
Indikativ
Präteritum |
Konjunktiv II |
Imperativ |
Partizip II |
|
büßen |
bußt |
biöß |
biäße |
buß |
gebiäßen |
D2 |
düsen |
dust |
diös |
diäse |
dus |
diäsen |
D2 |
ermüden |
ermudet |
ermiöd |
ermiäde |
ermud |
ermiäden |
D2 |
führen |
fuhrt |
fiöhr |
fiähre |
fuhr |
fiähren |
D2 |
füßeln |
fulßt |
fiölß |
fiälße |
fulß |
fiälßen |
D2K |
spülen |
|
spiöhl |
spiähle |
|
spiählen |
D2 |
Praesens viceversum entfällt wg.
spulen |
sühnen |
suhnt |
siöhn |
siähne |
suhn |
siähnen |
D2 |
süßen |
sußt |
siöß |
siäße |
suß |
siäßen |
D2 |
wühlen |
wuhlt |
wiöhl |
wiähle |
wuhl |
gewiählen |
D2 |
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