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Die diphthongierende Konjugation mit Praesens
viceversum
Ein Gastbeitrag von Berthold Janecek
Einen ärgeren Mangel hat das Deutsche als Mangel an starken Verben
oder Mangel an schönen Genitiven. - Und welchen? - Nun, den Mangel an
Zwielauten. Außer bei Namen und Fremdwörtern (Luis, Boy etc.) und bei
seltsamen, antiquierten Schreibungen (Steyr, Oeynhausen etc.) gibt’s
gerade drei, von denen zwei (ei, eu) noch dazu orthographisch so
absurd sind, daß viele bei Fremdsprachen die ei-s und eu-s
dann immer als ae-s und oü-s lesen. Gräßlich!
Dabei gibt es Dialekte mit einem großen Reichtum an Di-, Tri- und weiß Gott wie vielen
-phthongen. Das burgenländische Lockenhaus heißt im zugehörigen Dialekt ungefähr
Leouggnghäaous. Tatsächlich!
Könnten nun auch starke Verben den Zwielauten voranhelfen? Ich denke
schon, möchte das jetzt aber nicht maschinell abschnurren lassen, sondern mich auf ein paar
Verben mit kurzem ü beschränken:
süffeln, büffeln, schnüffeln: Ich würde deren Konjugation als
diphthongierende bezeichnen. ü ist ja ein gerundetes i, aber von
singen - sang - gesungen sollte sich die Abwandlung
doch unterscheiden. Das ü könnte sich im Präteritum entrunden, dafür aber eine
steigende Diphthongierung erzwingen:
süffeln,
büffeln, schnüffeln - sialf, bialf, schnialf - siälfe, biälfe,
schniälfe - P. P. P.: gesiulfen, gebiulfen, geschniulfen. Damit käme sowas
Isländisches, nur auf die Vokale bezogen auch Chinesisches, in die
Sprache.
Auch das Praesens hat noch eine Besonderheit: Normalerweise fällt der
Umlaut - wegen irgendwelcher Endungs-i-s im Althochdeutschen - eher auf die 2.
und 3. Person Singular: trägst, trägt. Beim kurzen ü aber könnte das folgende althochdeutsche
i eine Art „Überhelle“ bewirkt haben. Das Resultat
wäre eine Helligkeitsdissimilation, eine Verdumpfung. Ich würde sowas ein
Praesens inversum oder Praesens viceversum nennen. In unserem Falle hieße das: 2.
Person: suffel(e)st, buffel(e)st, schnuffel(e)st - und 3. Person: suffelt,
buffelt, schnuffelt. Imperativ: Suff(e)l(e)! Buff(e)l(e)! Schnuff(e)l(e)!
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