Genitivus absolutus: Unterschied zwischen den Versionen

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Ein '''Genitivus absolutus''' (losgelöster Genitiv) ist eine Nominalphrase im Genitiv, die als freie Angabe etwas über die Umstände eines Geschehens aussagt.
Als '''Genitivus absolutus''' bezeichnen wir hier eine Nominalphrase im Genitiv, die entweder adverbial (''adverbialer Genitiv'') oder prädikativ (hier gibt es unseres derzeitigen Wissens keinen einschlägigen Fachbegriff) gebraucht wird.


== Im Deutschen ==
== Im Deutschen ==


Im heutigen Deutschen kommt er hauptsächlich in Form von festen Wendungen vor, etwa
Im heutigen Deutschen kommt er hauptsalch in erstarrener Form vor – erstarren entweder zu festen Fügungen oder gar zu einzelnen Wörtern. Es folgen unsere stetig wachsenden Sulmme für beides.


* um zum Ausdruck zu bringen, ''womit'' jemand etwas tut
=== Fügungen ===
 
==== Adverbialer Gebrauch ====
 
* um zum Ausdruck zu bringen, ''womit'' jemand etwas tut:
** beschämten, zufriedenen Angesichts
** sehenden Auges
** sehenden Auges
** erhobenen, gesenkten Blickes
** erhobenen, gesenkten, unverwandten, verwirrten Blickes
** fliehenden, stehenden, trockenen Fußes
** fliehenden, stehenden, trockenen Fußes
** guten, reinen, ruhigen Gewissens
** entblößten, erhobenen, gesenkten Hauptes
** erhobenen, gesenkten Hauptes
** bangenden, bebenden, blutenden, heißen, klopfenden, lachenden, leichten, pochenden, schweren Herzens
** gesenkten, roten, hocherhobenen Kopfes
** gesenkten, roten, hocherhobenen Kopfes
** frischen, frohen, guten, stolzen Mutes
** lachenden, offenen Mundes
** festen, flinken, fliegenden, flotten, langsamen, raschen, schlurfenden, schnellen, schwankenden, wankenden, zögernden usw. Schrittes
** festen, flinken, fliegenden, flotten, langsamen, raschen, schlurfenden, schnellen, schwankenden, wankenden, zögernden usw. Schrittes
** betrübten, traurigen, verwirrten Sinnes
* als zeitliche Angabe (temporaler Genitiv):
* als zeitliche Angabe:
** aller Tage
** dieser Tage
** dieser Tage
** eines (fernen, schönen) Tages
** eines (fernen, schönen) Tages
** eines, des Nachts
** eines, des Nachts
** letzten Endes
** des Öfteren
* als Angabe zu anderen Umständen:
* als Angabe zu anderen Umständen:
** guter, unverrichteter Dinge
** guter, unverrichteter Dinge
* als adverbiale Angabe zum Satz:
* als adverbiale Angabe zum Satz:
** meines Erachtens, Wissens
** meines Erachtens, Wissens
** leider Gottes ''(möglicherweise ursprünglich ein Genitivus absolutus in der Bedeutung ''beim Leiden Gottes'')''
** seines Zeichens
** leider Gottes ''(diese heute schwer zu analysierende Fügung war ursprünglich möglicherweise ein Genitivus absolutus in der Bedeutung ''beim Leiden Gottes'' [''leider'' kann auch ein Komparativ zu ''Leid'' (''= mehr Leid'') sein, wie das Nibelungenlied zeigt ''„leider ''nimmer geschehen''“ = „mehr Leid ''nimmer geschehen''“])''
** des Weiteren, Ferneren
** des Weiteren, Ferneren
** des Langen und des Breiten
==== Adverbialer und prädikativer Gebrauch ====
* zur Angabe eines geistigen oder seelischen Zustandes
** guten, reinen, ruhigen Gewissens
** heiteren, unruhigen Gemütes
** guten Glaubens
** bangenden, bebenden, beklommenen, blutenden, frohen, heißen, klopfenden, lachenden, leichten, pochenden, reinen, schweren Herzens
** frischen, frohen, guten, stolzen Mutes
** betrübten, finsteren, heiteren, traurigen, verwirrten Sinnes
=== Wörter ===
Hier listen wir Wörter, die ihrem Aussehen nach vermuten lassen, dass sie aus einem zusammengedompfenen Genitivus absolutus hervorgegangen sind. Inwieweit dies wo dem tatsächlichen Gang der Sprachgeschichte entspricht, bleibt von Experten zu prüfen.
==== Adverbialer Gebrauch ====
* aller- (z.B. allerheiligen, allerseelen)
* tags- (z.B. tagsüber, tags darauf, tags zuvor)
* -dessen (z.B. unterdessen, währenddessen)
* -dings (z.B. allerdings, neuerdings, schlechterdings)
* -falls (z.B. jedenfalls, keinesfalls)
* -orts (z.B. andernorts, dieserorts, mancherorts)
* -wärts (z.B. auswärts, himmelwärts, vorwärts)
* -weise (z.B. ausnahmsweise, dummerweise, möglicherweise)
* -zeit (z.B. deinerzeit, jederzeit, seinerzeit)
* ander(e)ntags
* flugs
* keineswegs
* nächtens
* sommers
* spornstreichs
* winters
* zeitlebens
==== Adverbialer und prädikativer Gebrauch ====
* -hand (z.B. allerhand, kurzerhand, linkerhand, rechterhand)
* allerorten


== Im Neutschen ==
== Im Neutschen ==


Wie es unsere Art ist, möchten wir den Genitivus absolutus aus der Beschränkung auf feste Wendungen befreien und derselben freien Bildung öffnen, der im Lateinischen der Ablativus absolutus zugänglich ist. Damit lässt sich vieles kompakter sagen als indem man gleich einen Nebensatz aufmacht:
Wie es unsere Art ist, möchten wir den adverbialen Genitiv aus der Beschracht auf das Lexikalisorene, das Starre befreien und derselben freien Bildung öffnen, der im Lateinischen der Ablativus absolutus zugänglich ist. Damit lässt sich vieles kompakter sagen als indem man gleich einen Nebensatz aufmacht:


* temporal
* temporal
** Ihren Geburtstag feiernder Karlen ''(als Karla ihren Geburtstag feierte)'' kamen nur wenige Gäste.
** Ihren Geburtstag feiernder Karlen ''(als Karla ihren Geburtstag feierte)'' kamen nur wenige Gäste.
** Fallenden Wandteppichs entdak er den Wasserschaden.
** Willi Brandts Bundeskanzlers besuchte ich das Gymnasium.
** Meiner Kindes konnte sich noch niemand einen Computer zur privaten Nutzung vorstellen.
* kausal
* kausal
** Brechreiz erregenden Bockanzes floh ich aus dem Ziegenstall.
** Brechreiz erregenden Bockanzes floh ich aus dem Ziegenstall.
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** Des mit dem Gummiknüppel gaschlangen Demonstranten triwurf ''([[synthetisches Passiv]])'' der Polizist von einem Pflasterstein.
** Des mit dem Gummiknüppel gaschlangen Demonstranten triwurf ''([[synthetisches Passiv]])'' der Polizist von einem Pflasterstein.


[[Katgorie:Grammatik]]
[[Kategorie:Nomina]]
[[Kategorie:Nomina]]

Version vom 10. Oktober 2016, 09:11 Uhr

Als Genitivus absolutus bezeichnen wir hier eine Nominalphrase im Genitiv, die entweder adverbial (adverbialer Genitiv) oder prädikativ (hier gibt es unseres derzeitigen Wissens keinen einschlägigen Fachbegriff) gebraucht wird.

Im Deutschen

Im heutigen Deutschen kommt er hauptsalch in erstarrener Form vor – erstarren entweder zu festen Fügungen oder gar zu einzelnen Wörtern. Es folgen unsere stetig wachsenden Sulmme für beides.

Fügungen

Adverbialer Gebrauch

  • um zum Ausdruck zu bringen, womit jemand etwas tut:
    • beschämten, zufriedenen Angesichts
    • sehenden Auges
    • erhobenen, gesenkten, unverwandten, verwirrten Blickes
    • fliehenden, stehenden, trockenen Fußes
    • entblößten, erhobenen, gesenkten Hauptes
    • gesenkten, roten, hocherhobenen Kopfes
    • lachenden, offenen Mundes
    • festen, flinken, fliegenden, flotten, langsamen, raschen, schlurfenden, schnellen, schwankenden, wankenden, zögernden usw. Schrittes
  • als zeitliche Angabe (temporaler Genitiv):
    • aller Tage
    • dieser Tage
    • eines (fernen, schönen) Tages
    • eines, des Nachts
    • letzten Endes
    • des Öfteren
  • als Angabe zu anderen Umständen:
    • guter, unverrichteter Dinge
  • als adverbiale Angabe zum Satz:
    • meines Erachtens, Wissens
    • seines Zeichens
    • leider Gottes (diese heute schwer zu analysierende Fügung war ursprünglich möglicherweise ein Genitivus absolutus in der Bedeutung beim Leiden Gottes [leider kann auch ein Komparativ zu Leid (= mehr Leid) sein, wie das Nibelungenlied zeigt „leider nimmer geschehen“ = „mehr Leid nimmer geschehen“])
    • des Weiteren, Ferneren
    • des Langen und des Breiten

Adverbialer und prädikativer Gebrauch

  • zur Angabe eines geistigen oder seelischen Zustandes
    • guten, reinen, ruhigen Gewissens
    • heiteren, unruhigen Gemütes
    • guten Glaubens
    • bangenden, bebenden, beklommenen, blutenden, frohen, heißen, klopfenden, lachenden, leichten, pochenden, reinen, schweren Herzens
    • frischen, frohen, guten, stolzen Mutes
    • betrübten, finsteren, heiteren, traurigen, verwirrten Sinnes

Wörter

Hier listen wir Wörter, die ihrem Aussehen nach vermuten lassen, dass sie aus einem zusammengedompfenen Genitivus absolutus hervorgegangen sind. Inwieweit dies wo dem tatsächlichen Gang der Sprachgeschichte entspricht, bleibt von Experten zu prüfen.

Adverbialer Gebrauch

  • aller- (z.B. allerheiligen, allerseelen)
  • tags- (z.B. tagsüber, tags darauf, tags zuvor)
  • -dessen (z.B. unterdessen, währenddessen)
  • -dings (z.B. allerdings, neuerdings, schlechterdings)
  • -falls (z.B. jedenfalls, keinesfalls)
  • -orts (z.B. andernorts, dieserorts, mancherorts)
  • -wärts (z.B. auswärts, himmelwärts, vorwärts)
  • -weise (z.B. ausnahmsweise, dummerweise, möglicherweise)
  • -zeit (z.B. deinerzeit, jederzeit, seinerzeit)
  • ander(e)ntags
  • flugs
  • keineswegs
  • nächtens
  • sommers
  • spornstreichs
  • winters
  • zeitlebens

Adverbialer und prädikativer Gebrauch

  • -hand (z.B. allerhand, kurzerhand, linkerhand, rechterhand)
  • allerorten

Im Neutschen

Wie es unsere Art ist, möchten wir den adverbialen Genitiv aus der Beschracht auf das Lexikalisorene, das Starre befreien und derselben freien Bildung öffnen, der im Lateinischen der Ablativus absolutus zugänglich ist. Damit lässt sich vieles kompakter sagen als indem man gleich einen Nebensatz aufmacht:

  • temporal
    • Ihren Geburtstag feiernder Karlen (als Karla ihren Geburtstag feierte) kamen nur wenige Gäste.
    • Willi Brandts Bundeskanzlers besuchte ich das Gymnasium.
    • Meiner Kindes konnte sich noch niemand einen Computer zur privaten Nutzung vorstellen.
  • kausal
    • Brechreiz erregenden Bockanzes floh ich aus dem Ziegenstall.
    • Kaputt gegangenen Computers konnte er seinen Artikel nicht abschließen.
  • modal
    • Des durch eine rechte Gerade KO gehenden Herausforderers gewann der Champion in der elften Runde.
    • Nicht unterbrochenen Marsches ielen wir heim.
  • konditional
    • Zweier Streitender freut sich der Dritte.
    • Matt gesotzenen gegnerischen Königs hast du die Schachpartie gewonnen.
  • konzessiv
    • Vielleicht vorgebenden Publikums, es verstünde das nicht, gebe ich dies trotzdem zum Besten.
    • Fast immer vorzbeogenen Strebers Paul(s) schrieb Urban diesmal die beste Deutsch-Schularbeit.
  • adversativ
    • Zögernder anderer miech ich mich daran das Haus abzureißen.
    • Des mit dem Gummiknüppel gaschlangen Demonstranten triwurf (synthetisches Passiv) der Polizist von einem Pflasterstein.

Katgorie:Grammatik